Heute im Interview die Künstlerin Diane Schüssele. Eine Geschichtenerzählerin, die hier im Blog ihre aktuelle Fashionserie vorstellt und dazu noch viele Einblicke in Ihre Arbeitsweise zeigt. In der Medienwelt ist sie keine Unbekannte.

Ein Auszug aus Ihrer Filmography:

 

  • SIMONA (WT), feature film, Germany/Denmark 2016
    screenplay
  • LET’S TALK ABOUT LOVE, crossmedia web documentary, Germany 2015/2016
    concept
  • ANJA & VIKTOR, feature film, Norway 2015/2016
    screenplay
  • GOTT UND DIE WELT // DIVINITY AND HUMANITY, short film, Germany 2013
    screenplay (co-written), production, production manager
  • DIE ANGST, DER MUT (AT) // FEAR AND COURAGE (WT), short film, Germany 2013
    screenplay

Hallo Diane, erzähle uns etwas über dich und deine fotografische Arbeit.

Gerne! Ich bin schließlich eine Geschichtenerzählerin! Ich habe schon immer über Bilder erzählt. In Zeichnungen, in Filmen, und seit einigen Jahren intensiv in der Fotografie. Nachdem ich eine Zeitlang an Freunden geübt hatte, habe ich begonnen, Portraitshootings zu machen, und zuletzt wurden es immer aufwändigere Fashion-Shootings. Mein Vater lacht immer, wenn er meine Bilder sieht. Wenn ich frage, warum, sagt er: „Da ist immer Bewegung drin.“

Wie wandelst du deine Visionen in ein Projekt um? Welches Ziel verfolgst du und warum setzt du dieses Ziel analog um?

Ich lebe davon, Konzepte für Webseiten zu entwerfen. Viel Kopfarbeit. Bei der Fotografie gehe ich am liebsten konzeptlos vor. Nach Bauchgefühl. Konkret heißt das, ich schließe die Augen, forsche, welches Bild (oder manchmal Gefühl) entsteht, und nach diesem Bild „konzipiere“ ich den Shoot. Beim Shoot selbst lasse ich das Bild los und verwende, was ich vorfinde. Im Model, in der Location, im Licht (und oft im Wetter). Nichts anderes existiert – ich bin ganz im Hier und Jetzt.

Meine Welt ist sehr schnelllebig, sehr digital. Abgesehen davon, dass mich die Filmästhetik jedes Mal aufs Neue umhaut, ist die analoge Fotografie mein Hebel, mich selbst zu entschleunigen und etwas Zeitloses zu schaffen.

In der Fashionszene ist eine gute Logistik und Vorbereitung enorm wichtig. Erläutere uns bitte die komplette Timeline deines letzten Projekts, von der Zieldefinition über den Kontakt zu deinen Kunden, der Modelwahl und natürlich den Ablauf des Shootings.

Für das Projekt „I sense, therefore I am“ lief das so ab: ich lief eines Tages in den Münchner Popup Store der Modedesignerin Stephane Kahnau. Ich hatte meine Yashica um den Hals hängen. Die erregte Aufmerksamkeit. Wir kamen ins Gespräch und ich fragte sie, ob sie Lust auf ein gemeinsames Projekt hätte. Ihr Design ist sehr besonders, sehr wertig  – und ich hatte sofort Bilder mit Filmlook im Kopf. Es sollte ein freies Projekt werden, ein Experiment – insofern passt das Wort “Kunde” nicht ganz. Es war eher eine kreative Partnerschaft.

Sehr schnell fanden wir eine gemeinsame Vision: einen analogen industrial Fashionshoot, in schwarzweiß geschossen. Und ab da spielten dann verschiedene Komponenten in einander, die alle gleich wichtig waren: Outfits, Model, Location. Die Outfits hat Stephanie auf die Vision abgestimmt. Für die ausgefallenen Looks brauchte es eine ausdrucksstarke Persönlichkeit, die den Raum einnehmen konnte. Dafür haben wir gezielt Models bei Agenturen angefragt. Parallel haben wir eine jahreszeitlose Location gesucht: ein Kieswerk. Es war ein Pokerspiel, ob wir aufs Gelände kommen würden. Vorher fragen wollten wir lieber nicht… Wir haben ein Moodboard erstellt und zuletzt noch eine Visagistin an Bord geholt.

Ja, und dann war der Shoot ein ganzer Tagesausflug mit dem VW-Bus, ausgerechnet an einem kalten, windigen Sonntag. Wir haben drei Outfits abgelichtet. Alle drei sehr aufwändig. Die meiste Zeit verbrachte Katrin, unser Model, in der Maske im Bus. Währenddessen habe ich auf dem Gelände die genauen Bilder gesucht, die ich schießen wollte. Sobald sie, dick eingepackt, ankam, stellte ich sie in Position, maß das Licht, kadrierte. Wir entfernten die Jacken und ich machte pro Outfit ca. acht Bilder; immer nur eins pro Pose und Framing. Dann verschwand Katrin mit ihrem Wahnsinnsoutfit wieder hinter dicken Mantelschichten und im Bus, nur um ca. 45 Minuten später mit einem neuen Outfit aufzutauchen. Insgesamt habe ich für drei Outfits nur zwei 120mm-Filme verschossen. 24 Bilder für fünf Stunden Arbeit von vier Mädels. Ich betete zum Himmel, dass meine Belichtungsmessung und Kamerahandhabe stimmten. Die Zensa Bronica, auf der ich fotografierte, hatte ich am Tag zuvor das erste mal getestet.

Wir wissen, dass die effektive Shootingzeit oft sehr begrenzt ist. Wie gehst du damit um und führst deine Models und dein Team durch diesen Zeitrahmen?

Das ist tatsächlich mein größtes Dilemma. Für mich ist die Zeit mit dem Model und der Kamera natürlich die wichtigste: für diesen Moment sind wir da. Bei einem logistisch aufwändigen Shooting ist die Zeit, mich mit dem Model einzuspielen, sehr begrenzt. Umso wichtiger ist es, mich in den wenigen Minuten, in wir „alleine“ sind, von meiner Intuition leiten zu lassen. Spricht das, was ich durch den Sucher sehe, mit mir? Hüpft mein Herz? Oder sträubt sich etwas in mir? Was will ich verändern? Das bedeutet oft, trotz widriger Wetterumstände und fortgeschrittener Zeit um mein Bild zu kämpfen. Nicht zu hasten. Viel zu kommunizieren. Die richtige Mischung, wann dem Bild, wann dem Team verpflichtet zu sein, ist manchmal ein Abwägen. Im Idealfall ist es ein und dasselbe.

Wie reagieren deine Kunden und Models, wenn du in der digitalen Zeit mit analogen Bildern ankommst?

Für mich ist sie ein Statement. Ich trage eine Sehnsucht nach Beständigkeit und Wertigkeit in mir. Und ich habe das Gefühl, ich renne da bei anderen Menschen offene Türen ein. Eine analoge Kamera, die sich verändernde Shooting-Dynamik und nicht zuletzt das Preisbewusstsein wertet meine Shoots auf. Allein das wundervolle Klicken des Auslösers versetzt schonmal neben mir auch das Model in Euphorie. Besonders witzig ist das, wenn man mit Models arbeitet, die mit Digitalkameras geboren wurden. Bei diesem Shoot habe ich ein paar digitale Bilder zur Sicherheit gemacht. Als dann die analogen nach bangem Warten aus dem Labor kamen, war das ein wahnsinniger Qualitätssprung. Wir waren überglücklich. Wir haben Abzüge für Stephanies Laden gemacht. Insofern glaube ich, gerade in der digitalen Zeit ist die Resonanz und Wertschätzung für analoge Fotografie groß.

Jetzt zur Technik: Welche Kamerasysteme und Filme nutzt du?

Da alles mit der alten Minolta XG-1 meines Vaters begann (im Alter von 14), wird ihr immer meine größte Liebe gehören. Die liegt mir einfach. Die setze ich gern für Porträts ein. Für Street Photography macht mir die Yashica MAT-124 großen Spaß (und scheint bei Umstehenden Nostalgie auszulösen). Neu hinzu kam im Herbst eine Zensa Bronica SQ-Ai. Für diesen Shoot habe ich Ilford FP4 verwendet. Unter den Farbfilmen favorisiere ich den Portra.

Wo kann man deine Bilderstrecke sehen?

Auf meiner Webseite www.dianeschuessele.de. Updates gibts auch hier: http://instagram.com/dianethetraveller. Ich freue mich über Fragen, Kontakte, Anregungen über beide Kanäle!

Team “I sense, therefore I am”:

Design: Stephanie Kahnau: http://stephaniekahnau.de

Model: Katrin la Feline: http://www.talents-models.com/women/katrin-b/

Hair & Makeup: Brittney Nicole Robinson: https://www.facebook.com/resortofdesire/?fref=mentions

Fotografie: Diane Schüssele: www.dianeschuessele.de

Vielen Dank für das Interview, Diane! 

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