Schon seit längerem fielen uns die extrem gut belichteten und emotional geladenen Fotos von Kerstin am Scanner auf. Kerstin sticht mit Abstand aus einer Masse an Familienfotografen heraus, sodass es an der Zeit ist, ihre fantastischen Bilder mitsamt einem Interview zu zeigen. Herzlich willkommen Kerstin, erzähle was über dich:
Ich bin Kerstin, mittlerweile 40, verheiratet und Mama von zwei Mädchen, die mich und meinen Mann immer in Trab halten.
Meine große Leidenschaft ist es, zu fotografieren. Schon immer. Die ganze Geschichte zu erzählen würde viel zu lange dauern, aber angefangen hat es tatsächlich in der Grundschule. Zu dieser Zeit habe ich in einem Preisausschreiben eine Kamera im APS-Format gewonnen, angefangen alles und jeden zu fotografieren und bis jetzt hab ich damit nicht wieder aufgehört.
Privat fotografiere ist fast ausschließlich analog. Abgesehen davon, dass es unglaublich Spaß macht und mich das analoge Ergebnis in den meisten Fällen komplett umhaut, justiere ich mich dadurch immer wieder selbst, was die bewusste Arbeit mit Licht und achtsame Fotografie betrifft.
Ich liebe es zu reisen, bin aber kein Strandurlauber. Ich lass mich lieber durch die Gegend treiben in der ich mich befinde, wie ein „Streuner“. In all der Hektik des Alltags und den oft sehr verkopften Entscheidungen, vergesse ich manchmal, auf meinen Bauch zu hören und genau das kann ich auf Reisen tun: mich von Gefühlen und Stimmungen leiten lassen. Das gibt mir Kraft.
Du fotografierst intensiv Deine Familie. Was ist dein Ansporn und Dein Anliegen?
Ich fotografiere eigentlich ausschließlich im privaten Bereich. Aber hier nicht nur die Familie, wobei natürlich der Hauptaugenmerk schon darauf liegt. Ich fotografiere generell alles, von dem ich glaube, dass es für mich später einmal wichtig sein könnte. Ereignisse, die es wert sind, um in ein Album zu kommen, weil sie einen Teil des gemeinsamen Jahres erzählen. Das kann alles sein, wie bestimmte Feste mit Freunden, Urlaube, Ausflüge oder eben das Jahr mit meiner Familie. Bei der Familie fotografiere ich natürlich nicht nur wichtige Ereignisse, sondern eben auch mal den Alltag, wenn mir danach ist oder wenn es sich gerade ergibt und um vor allem meine Kinder auch auf Bildern aufwachsen zu sehen. Ich mag es nicht, Bilder am Handy anzuschauen, und erstelle immer Alben für das jeweilige Jahr, weil ich eine enorme Freude daran habe, darin zu blättern und mich zurückzuerinnern und vor allem auf Bildern zu sehen, wie sich alles entwickelt hat.
Warum fotografierst du auf Film? Was ist dir dabei wichtig?
Hier muss ich ein bisschen weiter ausholen: Ich fotografiere schon seit meiner Kindheit und bin mit dem Medium groß geworden. Mit acht Jahren habe ich bei einem Wettbewerb eine APS – Kamera gewonnen und war super enttäuscht, weil ich eigentlich die Buntstifte des zweiten Platzes haben wollte. Ich habe mich aber sehr schnell mit der Kamera angefreundet und angefangen meine Kuscheltiere als Model zu benutzen und alles um mich herum zu fotografieren. Meine Eltern haben das auch immer finanziert, ohne nachzufragen, so weit ich mich erinnern kann. In meiner Jugend, als noch keiner von uns ein Handy und die allerwenigsten eine Kamera oder Ähnliches hatten, habe ich mit einer Olympuskamera alles fotografiert, was mir wichtig war, aber ohne mir Gedanken darüber zu machen, auf was ich aufpassen muss und ohne jegliches Wissen bezüglich Blende, Verschlusszeit, ISO und allem, was sonst noch Einfluss auf das fertige Bild nehmen kann. Damals ging es nur ums Festhalten der Ereignisse – alles andere hat die Kamera gemacht. Man hatte keine andere Möglichkeit als Filme zu kaufen und diese dann entwickeln zu lassen und es hat gekostet, was es halt gekostet hat:) heutzutage ist es ein enorm teures Hobby geworden, was ich mir aber über meine Einnahme als Hochzeitsfotografin mitfinanziere. Erst in den letzten 12-15 Jahren, als mein Interesse an der Fotografie als solches größer geworden ist, habe ich, nach den ersten Versuchen mit erschwinglichen Kompaktkameras , meine alte Olympus hervorgeholt. Ich möchte hier ein bisschen abkürzen:
Ich habe mich im „Selbststudium“ mit vielen Fachbüchern damit auseinandergesetzt, mit welchen Einstellungen ich welche Effekte im Bild generiere, welche Technik ich benötige (digital) und bin darüber nach und nach wieder zur analogen Kamera gekommen, weil mich interessiert hat, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede beide Medien haben. Ausschlaggebend dafür waren Bücher u.a. von José Villa und Elisabeth Messina. Ich habe dann, ähnlich wie im digitalen Bereich, immer weiter investiert, bis ich die Technik hatte, mit der ich die Bilder erzielen konnte, die man mit einer Kompaktkamera nicht machen kann. Im Laufe der letzten Jahre ist die analoge Fotografie vor allem im privaten Bereich zu einem ganz wichtigen und festen Bestandteil geworden, weil ich das Gefühl habe, dass es mich erdet und immer wieder dahin zurückbringt, woher ich ursprünglich gekommen bin und was für mich grundlegend wichtig ist: der achtsame Umgang mit Zeit, Licht, den einzelnen Momenten, dem Medium Fotografie an sich, wenn man es als Handwerk sieht – vor allem in Anbetracht des digitalen Zeitalters und der aktuell rasanten Entwicklungen in Bezug auf die spiegellose Technik. Speicherplatz kostet nichts und jeder kann Fotos machen. Man muss die Zusammenhänge nicht mehr wirklich verstehen, um grundsätzlich fotografieren zu können. Mit dem Handy geht es gleich noch viel leichter. Ein Foto ist nichts Wichtiges mehr – wir haben Tausende, auf unserem Rechner und auch auf unserem Handy. Es spielt auch keine Rolle, ob sie gut sind, etwas Wichtiges zeigen oder ob man zwanzigmal dasselbe Bild hat oder nicht.
Ich bin froh über die digitalen Fortschritte, gleichzeitig muss man nicht mehr viel tun, wenn man heutzutage ein „gutes“ Foto machen möchte, außer das Auge dafür zu haben. Wenn ich einen Film in die Kamera einlege, muss ich mir vorher überlegen, welchen Film ich warum benutzen möchte. Ich muss der Kamera einiges vorgeben, ich sehe auf dem Display nicht, ob es passt, was ich mache, oder nicht. Und das gefällt mir. Allein das Einlegen des Films ist schon was Besonderes.
Ich mag das Gefühl einfach, dass ich auch ohne die digitale Technik fähig bin, Fotos zu machen, dass ich auch ohne digitale Unterstützung vernünftig belichten kann. Ich bin ein wenig stolz, dass ich mich auf keinem Display rückversichern muss.
Ich liebe es, wie schon damals als Kind, wenn der Film entwickelt ist und ich die Bilder bzw. die Scans zum ersten Mal sehe und ich mag einfach auch den Look der analogen Bilder. Ich bin immer so gespannt, wie die Bilder geworden sind. Ich bin mit jedem Ergebnis zufrieden, weil ich weiß, dass der Moment in der Vergangenheit liegt.
Deshalb muss man schon bei der Aufnahme sehr achtsam sein und das gefällt mir. Das ist in der digitalen Fotografie anders. Natürlich kann man auch hier dieses Prinzip leben und bei meiner Spiegelreflex mache ich dasselbe wie bei der analogen Kamera – ich beobachte durch den Sucher den Ausschlag der Belichtungsskala, oft auch ohne das Bild auf dem Display anzuschauen, wenn es schnell gehen muss – aber immer wissend, dass in der Nachbearbeitung sooo viel Spielraum ist aus einem sehr schlecht belichteten Foto noch was wirklich Brauchbares zu machen.
Ich kann das leider nicht besser in Worte fassen, weil es für mich eine Art „Lebensgefühl“ ist.
Wie belichtest Du Deine Filme?
Ich benutze einen Seconic – L 208 Twinmade, wenn es die Situation erlaubt. Wenn es schnell gehen muss, benutze ich den kamerainternen Belichtungsmesser. Ich fotografiere immer im manuellen Modus und mit mittenbetonter Messmethode und wäge ab, wie weit ich das Bild über- oder unterbelichten muss. Das klappt eigentlich ganz gut, manchmal auch nicht, aber daraus lernt man.
Deine Familie steht im Fokus, wie präsentierst Du die Bilder? Machst du Abzüge?
Ich erstelle seit unserer Hochzeit Alben für jedes Jahr – immer in der gleichen Größe und immer mit demselben Coverlayout, bei dem ich den Albeninhalt in fünf Bildern zusammenfasse:)
Abzüge erstelle ich nur sehr sporadisch für Eltern und Großeltern. Wir selber haben fast keine Bilder an der Wand. Wenn, dann nur von Landschaften oder von Detailaufnahmen. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich Bilder von Menschen oder uns als Familie an er Wand „zur Schau“ stelle. Vereinzelt steht mal ein kleines Foto von den Kindern im Bücherregal oder so.
Ist Deine Fotografie eher eine willkürliche Reportage, oder gibst Du Anweisungen an deine Protagonisten?
Ich mag gestellte Fotos nicht so sehr, deshalb versuche ich so wenig wie möglich einzugreifen und verzichte dann oft auch auf ein schönes Foto. Gleichzeitig kommt man an dem ein oder anderen gestellten Foto nicht vorbei, um Details einzufangen. So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Ich glaube, dass meine Mischung sehr gesund ist. Eigentlich genauso, wie ich es auch in der Hochzeitsfotografie mache.
Mit Kindern muss ich das ein oder andere Mal ein paar mehr Anweisungen geben, vor allem, wenn es mir wichtig ist, dass zumindest ein Porträt dabei sein soll oder wenn ich vor habe, eine kleine Bildserie von den Kindern zu machen. Aber hier reden wir von vielleicht 10 Bildern. Gestellt sind auch die wenigen Familienbilder mit Selbstauslöser oder wenn ich meinen Mann bitte, im Urlaub zumindest ein oder zwei Bilder von mir zu machen, damit ich beweisen kann, dass ich dabei war:)
Kerstin, wir Danken dir von Herzen für dieses Interview und die vielen tollen analogen Bilder, die wir hier zeigen dürfen!