Von einer vergessenen Kamera bis zur tiefen Leidenschaft: Lily entdeckt die analoge Fotografie als Weg, Momente lebendig und zeitlos einzufangen – voller Spontaneität, Staub und unvergesslicher Begegnungen. Heute im Interview Kirsten Dünner aka Lily analog:

Stelle dich bitte kurz vor: Wer bist du, und was begeistert dich an der analogen Fotografie?

Ich bin Lily, 34 Jahre alt und lebe momentan in Bamberg. Ursprünglich stamme ich aus Wertheim, habe jedoch zehn Jahre in der Schweiz verbracht, bevor ich während der Corona-Pandemie nach Deutschland zurückgekehrt bin. Fotografieren hat mich schon immer begeistert. Ob mit einer Kamera, einer Drohne, der GoPro oder einfach dem Handy – ich habe immer versucht, Momente festzuhalten. Doch obwohl ich viele Bilder gemacht habe, fehlte mir oft etwas: die Tiefe, die Atmosphäre, das Gefühl, dass ein Bild wirklich „lebt“. Genau das habe ich in der analogen Fotografie gefunden. Analoge Bilder haben für mich etwas Mystisches und Zeitloses. Sie erfordern einen anderen Blick auf die Welt und eine bewusste Herangehensweise, die mich tief inspiriert.

Kerstin Dünner

Wie bist du zur analogen Fotografie gekommen? Gab es einen bestimmten Moment, der dich inspiriert hat?

Mein Einstieg in die analoge Fotografie war ein glücklicher Zufall. 2023 besuchte ich meine Eltern, und meine Mutter schenkte mir ihre alte Canon EOS 1000f – mit einem längst vergessenen Film darin. Diese Kamera hatte sie früher genutzt, um unsere Kinder- und Urlaubsbilder aufzunehmen. Zurück in Bamberg war ich neugierig und beschloss, den Film fertig zu belichten. Dieser Moment, als ich die Bilder entwickelte, war magisch. Leider hatte die Kamera einen Defekt an der Filmspule. Ich begann, mich intensiver mit analoger Fotografie zu beschäftigen, recherchierte auf Instagram und YouTube und ließ mich von den Werken anderer inspirieren. Schließlich ersteigerte ich eine Canon AE1 – und mit ihr begann meine analoge Reise richtig.

Fotografischer Stil und Arbeitsweise

Welchen fotografischen Stil oder welche Themen bevorzugst du in deiner Arbeit?

Da ich noch relativ neu in der analogen Fotografie bin, probiere ich vieles aus. Ich habe meine Kamera fast immer dabei und nutze jede Gelegenheit, neue Perspektiven einzufangen. Besonders gerne laufe ich durch kleine Seitengassen und lasse mich von der Architektur, alten Gebäuden oder Streetart inspirieren. Mir gefällt es, wenn Bilder eine gewisse Ehrlichkeit ausstrahlen und nicht inszeniert wirken. Die Geschichten, die ich festhalte, entstehen oft spontan – das macht sie für mich besonders reizvoll.

Welche Kameras und Filme verwendest du bevorzugt und warum?

In meiner Sammlung befinden sich derzeit drei Kameras: die Canon EOS 1000f, die Canon EOS 1000fn und die Canon AE1. Bei den Filmen bin ich flexibel, probiere viele verschiedene Marken aus, aber ich habe eine Vorliebe für Filme mit warmen Farben und grobem Korn. Filme, die zu stark auf Rot- und Grüntöne fokussiert sind, wie beispielsweise Fujifilm, sprechen mich weniger an. Die Wahl von Kamera und Film hängt oft von meiner Stimmung oder dem Projekt ab – ich liebe es, mich kreativ überraschen zu lassen.

Gibt es bestimmte Techniken oder Herangehensweisen, die dir besonders wichtig sind?

Für mich liegt die Magie in der Spontaneität. Ich liebe es, ungestellte und natürliche Momente einzufangen – Momente, die sich einfach aus dem Alltag ergeben. Dabei finde ich es besonders spannend, mit Kontrasten zu spielen und Elemente wie Pflanzen, Lichter oder Texturen in den Vordergrund zu rücken.

Aktuelles Projekt und Reisen

Erzähl uns bitte von deinem aktuellen Projekt. Was hat dich dazu inspiriert?

Zwei Projekte waren für mich in letzter Zeit besonders prägend. Das eine war die Hochzeit von Freunden in München, das andere meine Reise nach Uganda. Die Reise war ein Social Impact Trip mit der 22 Stars Foundation, einer Organisation, die Kindern durch Bildung neue Perspektiven ermöglicht. Es war eine unglaublich emotionale und bereichernde Erfahrung, die mich tief berührt hat. Meine Kamera hat mich dabei unterstützt, die herzlichen, glücklichen Momente des Alltags einzufangen und nicht die Armut, die oft im Vordergrund steht. Uganda hat mich als Land mit seiner Schönheit und Energie vollkommen begeistert.

Wie bereitest du dich auf eine Reise mit analogem Equipment vor? Gibt es spezielle Herausforderungen?

Ich bin da ziemlich entspannt. Meistens nehme ich nur eine Kamera mit, oft die Canon 1000fn, und packe ein paar Filme ein, die ich gerade zur Hand habe. Für mich geht es weniger um eine perfekte Vorbereitung, sondern darum, mich vor Ort inspirieren zu lassen.

Wie war die Flugreise, und wie wurden die Filme an der Sicherheitskontrolle behandelt?

Die Reise war ein echtes Abenteuer. Unser Flug wurde in Brüssel gestrichen, und wir mussten dort 24 Stunden bleiben. Nach zehn Stunden Flug hatten wir dann eine technische Zwischenlandung in Kigali, Ruanda, da unser Flugzeug defekt war. Trotz dieser Herausforderungen hatte ich keinerlei Probleme mit meinen Filmen an den Sicherheitskontrollen. Alles war im Handgepäck, und die Scanner hatten keinen negativen Einfluss.

Hattest du einen Handcheck oder wurden die Filme durch den Scanner geschickt?

Die Filme gingen immer durch den Scanner, auch in Ruanda, wo es besonders strenge Sicherheitskontrollen gibt. Dort muss man sogar in Hotels und öffentlichen Gebäuden durch Scanner. Ich habe keine negativen Auswirkungen auf meine Filme festgestellt.

Erfahrungen vor Ort

Wie lange warst du in Afrika und was war der Grund?

Aufgrund der Flugprobleme war ich am Ende nur fünf Tage in Uganda. Der Fokus der Reise lag darauf, die Kinder und Familien der 22 Stars Foundation zu besuchen und ihre Geschichten kennenzulernen.

Gab es besondere Erlebnisse, die deine Arbeit beeinflusst haben?

Ich habe gelernt, die Privatsphäre der Menschen zu respektieren und keine intimen Momente wie Schlafräume oder Wohnungen zu fotografieren. Eine große Herausforderung war der allgegenwärtige Staub, der in jede Kameraöffnung drang – ein Aspekt, den ich bei zukünftigen Reisen besser berücksichtigen werde.

Hattest du eine Ernährungsumstellung? Falls ja, wie hast du dich darauf vorbereitet?

Nein, eine Umstellung war nicht nötig. Das Essen in Uganda war einfach großartig – das Obst und Gemüse dort hat eine ganz andere Qualität. Avocados, die so groß wie Mangos sind, wachsen einfach am Straßenrand. Wir haben auch mit den Frauen vor Ort gekocht, was ein wunderschönes gemeinschaftliches Erlebnis war.

Welche Herausforderungen und Highlights gab es beim Fotografieren vor Ort?

Die größte Herausforderung war, die Privatsphäre der Menschen zu wahren, besonders von Kindern. Zu den Highlights zählten definitiv der Gabba Beach in Kampala, die Willkommenszeremonie und unser gemeinsamer Kochworkshop in Jinja.

Technische und kreative Aspekte

Wie gehst du mit den unterschiedlichen Lichtbedingungen vor Ort um?

In Uganda war es oft bewölkt, da wir in der Regenzeit unterwegs waren. Dadurch musste ich mich kaum mit extremen Lichtbedingungen auseinandersetzen. Blitz habe ich so gut wie nie verwendet.

Hast du deine Kamera vor Staub und Schmutz geschützt?

Leider habe ich meine Kamera nicht wirklich vor Staub geschützt – nur vor Regen. Der feine Staub war definitiv eine Herausforderung, die ich in Zukunft besser beachten muss.

Was war das überraschendste Bild, das du auf dieser Reise aufgenommen hast?

Ein Bild von den Kindern der Abba Fathers School in Jinja. Ich habe die Kamera einfach hochgehalten und ausgelöst, ohne durch den Sucher zu schauen – das Ergebnis war überraschend und emotional.

Reflexion und Zukunft

Gibt es eine besondere Aufnahme, die dir persönlich viel bedeutet?

Ja, ein Bild von Aidah und ihrem Mann David. Diese beiden Menschen haben mich mit ihrer selbstlosen, liebevollen Art tief beeindruckt. Es sind die großherzigsten Menschen, die ich je getroffen habe.

Was hast du aus dieser Reise gelernt – fotografisch oder persönlich?

Ich habe gelernt, dass Glück und Zufriedenheit nicht an materiellen Besitztümern hängen. In Europa jammern wir oft auf hohem Niveau. Fotografisch hat mich die Reise darin bestärkt, ungestellte Momente einzufangen, da inszenierte Szenen einfach nicht zu mir passen.

Was steht als Nächstes auf deiner Agenda?

Ich arbeite gerade an einem Schwarz-Weiß-Projekt mit einem Kentmere Pan 400 und plane eine Reise nach Marseille und Paris, um dort Streetart zu fotografieren.

Tipps und Inspiration

Hast du Tipps für andere Fotograf:innen, die mit analogen Kameras reisen möchten?

Einfach loslegen und ausprobieren! Analoge Fotografie erfordert mehr Achtsamkeit und verändert den Blick auf die Welt.

Welche Fotograf:innen oder Künstler:innen inspirieren dich selbst?

Jens Herga, den ich hier in Franken kennengelernt habe, inspiriert mich mit seiner Arbeit sehr. Jedes seiner Bilder gefällt mir wahnsinnig gut. Instagram: @jensherga Auch mein Partner, ein Graffiti-Künstler, ist für mich eine große Inspiration. Er muss oft herhalten und ich kann mit ihm die liebe zur Streetart und Fotografie verbinden. Instagram: @kaotogram

Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen möchtest?

Die analoge Fotografie hat meinen Blick auf die Welt verändert. Sie ist nicht nur ein Hobby, sondern eine Leidenschaft, die mich erfüllt und mich achtsamer durch den Alltag gehen lässt. Liebe Grüße Lily aka Kirsten 😃

Liebe Lily, wir danken dir für das Interview 🙂

Aidah und ihr Mann David

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