Ulrich Strasser: Ich habe schon als Kind in den 70er Jahren zu fotografieren angefangen, mit den alten Kameras meines Großvaters: v.a. meine Familie und Landschaften. Später wurde ich ein ambitionierter Bergsteiger, da habe ich stets eine Leica mit Diafilm dabeigehabt und meine Bergabenteuer v.a. in den Alpen festgehalten. Die Digitalfotografie fand ich nur wenig passionierend, das war eine kreative Flaute. Daher bin ich wieder zurück zum Analogmaterial, und verwende nun neben der Leica auch eine Rolleicord im 6 mal 6 Mittelformat. Am liebsten nehme ich dazu den Portra 400, den belichte ich reichlich für den hinreißenden Pastell-Look. Daneben habe ich auch immer einen Tri-X parat. Meine Lieblingsmotive sind neben Landschaften v.a. Portraits und Abstraktes sowie besondere (Licht-) Momente wie in der gezeigten Schwimmbad-Serie. Meine Erfahrung ist, dass die Bilder umso besser werden, je weniger Ausrüstung ich dabei habe. Meistens verwende ich nur eine Festbrennweite, ab und zu einen Handbelichtungsmesser, und ein Stativ.

Uli
Ulrich Strasser

In der Zeit des totalen Lockdowns wollte ich ein Projekt realisieren, welches die geschlossenen Portale der Münchener Schwimmbäder als Serie zeigt. Meine Vorstellung war, hier die jeweiligen Hinweise auf die Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus und menschenleere Foyers hinter verschlossenen Türen zu dokumentieren. Das Spannungsfeld zwischen Ähnlichkeit und subtilen Unterschieden sowie die Einzigartigkeit der Situation sollte das Thema sein. Dieses Projekt wollte ich mit einer Rolleicord auf 6×6 Portra 400 machen, mit reichlicher Belichtung für den bekannten pastelligen Look. Also nahm ich an einem Winternachmittag mit schönem Licht auch noch ein solides Stativ mit Drahtauslöser mit, und einen einfachen Belichtungsmesser.

Schon beim ersten Bad – dem Michaelibad – wurde ich enttäuscht: Hier herrschte Grillparty-Stimmung vor dem Eingang, denn der einfallsreiche Schwimmbad-Gastronom hatte aus der Not eine Tugend gemacht und sein Angebot kurzerhand nach draußen verlegt. Und das wurde auch freudig angenommen. Nun gut, dachte ich, dann fällt ein Bild der Serie halt aus dem Rahmen, und baute mein Stativ mit Kamera an einem geeigneten Standort auf. Nicht lange, kam der Gastronom auf mich zu und interessierte sich für mein Projekt, zu dem ich gerne Auskunft erteilte; schließlich fragte er, ob ich nicht einen Blick ins Bad reinwerfen möchte, um dort eine Aufnahme des Schwimmbeckens zu machen? Gesagt – getan. Ich packte zusammen, marschierte hinterher, zog die Schuhe aus, und wurde mit der Bemerkung, in einer Dreiviertelstunde wieder abgeholt zu werden, im Bad eingesperrt – allein.

Der Rest ist schnell erzählt. Ich hatte 5 Filme dabei, und die nachmittägliche Februarsonne stand ideal. Außer mir war niemand da, es herrschte Totenstille, und das Wasser in den Becken war glatt wie Glas. Es war heiß, so dass mir schnell der Schweiß auf der Stirn stand. Das Aufbauen, Komponieren, Belichtungsmessen, Einstellen, Auslösen, neu ausrichten und das Konzentrieren waren anstrengend. Ich wusste, dass es eine Sternstunde sein würde, und dass Zeit und Licht begrenzt waren. Also arbeitete ich wie ein Berserker. Tatsächlich wurde ich erst fertig, als ich wieder raus musste. Ich war aber sicher, dass alle 5 Filme korrekt belichtet waren und dass zumindest einige der Motive attraktiv sein würden. Das Licht, die Klarheit der Farben und die Schlichtheit der Umgebung hatten eine wunderbare Stimmung ergeben. Ich war euphorisch.

Leider war mein Besuch im Bad nicht korrekt, der freundliche Gastwirt und ich hatten mit meiner Tour die versicherungsrechtlichen Bestimmungen missachtet, und daher konnten die Bilder später nicht an einer eigentlich für Ausstellungen vorgesehenen Fläche im Bad ausgestellt werden. Schade. Aber jetzt haben sie doch noch eine späte, aber sehr angemessene Würdigung erfahren. Dafür bin ich Jörg Bergs sehr dankbar! Er hat Entwicklung und Scan in gewohnt professioneller Weise durchgeführt – die Ergebnisse sprechen für sich (und die Qualität des verwendeten Filmmaterials, sowie der 50 Jahre alten (!) Kamera). Die schönsten der Motive hängen in meiner Münchner Wohnung, als 35×35 cm Pints hinter Museumsglas in Eiche.

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