Heute im Interview der Hochzeitsfotograf Justus Kraft aus Köln. Gebürtig aus dem Sauerland stammend, studierte er in Köln Kommunikationsdesign und arbeitet nun bei der Agentur Fahrenheit im Bereich Front-End-Development & Art Direction. Justus arbeitet sowohl auf Film als auch digital. Einige seiner Inspirationen, Beweggründe zur Fotografie und viele Kreative Einblicke in seine Arbeitsweise lest ihr im folgendem Interview:

Justus, was sind deine Inspirationen für ein Hochzeits Shooting?

Nun ich glaube eine große Inspiration kommt, wie vermutlich bei den meisten Fotografen, von Freunden und Kollegen selbst. Sei es nun Facebook, Instagram oder sonstige Plattformen – überall da wo Bilder gepostet werden findet man Inspiration. Das ist aber eher eine allgemeine Inspiration: Bildaufbau, Posen und dieses „Hey das will ich auch mal probieren“-Gefühl. Kameras und Technik können auch inspirieren. Wenn ich Bock hab mit einer Kamera zu fotografieren, fühlt es sich gut an und dann werden auch die Bilder besser – keine Frage. Gleiches gilt für neue Filme, alternative Entwicklungsmethoden oder andere Objektive. Im alltäglichen Leben und Job ist die Inspiration aber spontaner, weniger geplant. Beim Fotografieren lasse ich viel auf mich zu kommen und schöpfe Inspiration für Bilder aus der Situation selbst, aus den Reaktionen meiner Paare oder Models, sowie aus der Umgebung und Atmosphäre. Meist machen wir gemeinsam einen kleinen Spaziergang und lassen uns von den Locations am Wegesrand überraschen. Achtet man darauf, lassen sich überall großartiges Licht und tolle Motive finden.

Erläutere ein wenig den Ablauf deines Shootings. Wie gestaltet sich ein Tag eines Hochzeitsfotografen?

Meine Hochzeitsreportagen erstrecken sich meist über den ganzen Tag, somit bildet das eigentliche Shooting nur einen kleinen Teil meiner Arbeit. Warum und wieso ich ein großer Fan von Ganztagesreportagen bin, erkläre ich Euch noch ein wenig detaillierter weiter unten. Ein Hochzeitstag startet für mich genau genommen schon am Abend vor der Hochzeit. Hier packe ich mein Equipment, lade die Akkus, leere die Speicherkarten, sortiere meine Filme und mache letzte Checks der Kameras und Objektive. Am nächsten Morgen bin ich dann relativ schnell im Konzentrationsmodus. Wichtig ist ein gutes Frühstück, da ich während des Tages nur wenig bis gar nichts esse. Das ist nicht gerade dienlich, aber im „Work-Mode“ werden die eigenen Bedürfnisse schnell zur Nebensache. Während der Hochzeit agiere ich ruhig und gelassen, scherze mit den Gästen und freue mich natürlich auf die Interaktion mit Brautpaar und Gästen. Nichtsdestotrotz bleiben Augen und Hirn ständig in Bereitschaft. Das Wichtige an der Reportage ist die Fähigkeit, eine Situation vorauszuahnen. Hier sind nur kleine Gesten der Gesellschaft ausschlaggebend für die Entscheidung, die Kamera zum Auge zu führen. Das strengt an, macht aber bei jedem Erfolgsmoment unfassbar Spaß. Während der Portraits geht es entspannender daher. Im Grunde mache ich mit dem Brautpaar einen Spaziergang an einer Location, die wir bereits vorher festgelegt haben. Wir quatschen und das Paar hat ein wenig Zeit für sich – ohne Gäste im Nacken zu haben. So entstehen die Fotos ganz nebenbei und in gut einer Stunde. Danach geht es zurück zur Gesellschaft und weiter mit der Reportage. Die analoge Mittelformat-Kamera kommt hauptsächlich für die Portraits zum Einsatz, ich habe allerdings auch schon ganze Reportagen analog fotografiert. Als alleiniger Fotograf nur möglich, wenn das Paar wirklich auf analoge Fotos abfährt – aber vielleicht ergibt sich mal die Chance auf eine Reportage zu zweit. Komplett analog wäre eine Herausforderung, auf die ich unheimlich Bock hab!

Worin liegt der Fokus deiner Arbeit?

Das Schönste an der Hochzeitsfotografie ist ganz klar das Arbeiten mit Menschen. Ich begleite meine Paare bei wahrlich intimen Momenten Ihrer Beziehung und gleichsam Ihres Lebens. Wir alle gehen davon aus, dass die Ehe eine einmalige Sache ist — das Versprechen, den Rest unseres Lebens miteinander zu verbringen. Und so ist auch der Hochzeitstag ein einmaliges Erlebnis. Bei all dem Tamtam, der Vorbereitung und Planung und dem Wunsch, einen unvergesslichen Tag für die Gäste zu zaubern, vergessen wir doch manchmal die Bedeutung für einen selbst, für das Ehepaar selbst. Wie schnell sind die Stunden vorbei, wie schnell stellt sich das Gefühl ein, doch nicht mit allen Gästen geredet zu haben und wie schnell kehrt der Alltag wieder ein. Dafür bin ich da. Ich versuche mit meinem Können und mit aller kreativer Finesse, die Emotionen des Tages festzuhalten. Ich strebe nicht nach einer blassen Dokumentation der Geschehnisse, möchte keine einfache Zusammenfassung des Hochzeitstages liefern, sondern Momentaufnahmen, die den Betrachter zurück ins Gefühlschaos werfen. Das ist euer Tag, eure Geschichte und Gefühle.

Du fotografierst digital und analog. Wo siehst du die Stärken der jeweiligen unterschiedlichen Techniken?

Ja, die analoge Fotografie hat es mir angetan. Schon bei den ersten Hochzeiten 2013 habe ich die Pentax 6×7 mitgeschleppt und Filme belichtet – technisch mehr schlecht als recht, aber mit Bildern, die mir noch heute viel bedeuten. Für mich war die analoge Fotografie nicht die Suche nach Entschleunigung oder ein Mittel, um besonders unique zu wirken. Das ist irgendwie tiefer in mir. Was mich früh an der digitalen Fotografie gestört hat, ist die eintretende Beliebigkeit. Der fehlende Zauber. Ich fotografiere, komme nach Hause und sitze vor einem Haufen RAW-Bilder, die irgendwie alles sein können. Mache ich sie dunkel, hell, gelber, grüner oder gar vollständig schwarz-weiß? Völlig egal, denn mit einem Klick kann ich meine Änderungen rückgängig machen. Ich sitze vor dem Rechner und schiebe an den Reglern, und mit jeder Minute, die vergeht wird mir das Foto gleichgültiger. Das wollte ich nicht. So fing ich an, Filme zu belichten – eine Haptik in meine Kunst zu bringen. Und siehe da, nicht nur stieg die Wertschätzung meiner eigenen Arbeit, das Medium Film beflügelte auch meine Leidenschaft zu fotografieren. Der Geruch eine Filmdose, das Chemie-Gepansche beim Entwickeln und nicht zuletzt die magischen Momente einer Vergrößerung in der Dunkelkammer – all das machte mich zufriedener. Mit meiner Arbeit und mit mir selbst. Ich möchte die digitale Fotografie nicht missen, denn die Ergebnisse sind nicht minder gut und das Handling um vielfaches angenehmer. Dennoch ist die analoge Fotografie aus meinem Alltag nicht wegzudenken.

Was ist wichtig an deiner Filmauswahl?

Tatsächlich bin ich bei der Filmauswahl viel weniger experimentierfreudig, als ich eigentlich sein will. Einen Lieblingsfilm, den ich seit Jahren unentwegt nutze, habe ich aber dennoch nicht. Die Klassiker der Film-Branche sind auch meine Lieblinge, wobei ich mich optisch eher zu den Kodak Portra, weniger zu den Fuji Pro Filmen zugehörig fühle. Das liegt aber vielleicht auch einfach am schlechten Wetter in Deutschland ;-). So lichthungrig wie der Fuji 400h daher kommt, braucht man schon fast die Sonne der Provence um begeisternde Ergebnisse zu zaubern. Neuerdings fotografiere ich auch immer mal wieder mit dem CineStill Film. Gerade für meine private Fotografie mag ich den Look recht gerne. Schwarz-Weiß fotografiere ich in den letzten Jahren immer weniger, wenn dann aber hauptsächlich mit Ilford HP5+ oder Fuji Neopan Acros. Die beiden Filme geben mir eine gute Range von „rough & oldschool“ zu „modern & finegrain“. Der große, große Pluspunkt an schwarz-weißen Filmen ist für mich, dass ich sie in der Dunkelkammer vergrößern kann. Das analoge Arbeiten am Bild, der Geruch der Chemie und nicht zuletzt der Anblick des fertigen Werks bleiben einfach immer spannend.

Zur Technik: Welches Equipment benutzt du?

Meine Hochzeitsreportagen und Couple Sessions fotografiere ich mit der Mamiya 645 AFD. Die Kamera ist zuverlässig und macht einen klasse Job, das 6×4,5 Format ist aber doch eher ein Kompromiss. So manches Mal denke ich mir, größer wäre doch schon gut. An Objektiven arbeite ich tatsächlich nur mit dem 80er 2.8. Ich habe noch das 80 1.9, welches aber aufgrund der Größe meistens rausfällt. Generell fotografiere ich recht gerne mit wenigen Linsen, sodass auch im digitalen Bereich im Grunde nur das 85er und 25er Zeiss Batis auf meine A7er Bodies kommen. Über die Jahre kamen und gingen natürlich so einige Kameras, so war z.B. die Pentax 6×7 meine erste Mittelformat-Kamera. Ein Monstrum, welches allein durch Sucher und Spiegelschlag einen gewaltigen Eindruck hinterlässt. Neuerdings nenne ich auch eine Seagull TLR mein Eigen, welche meine Begeisterung zum 6×6 Format ausgelöst hat. Quadrat ist einfach schick. Im Kleinbild ist die Leica M6 mein ewiger Begleiter, wobei ich mit der winzigen Rollei 35 eine gute Konkurrenz gefunden habe, die dann doch noch einmal deutlich einfacher in die Hosentasche passt. Das Großformat steht noch auf meiner Liste – wer weiß, kommt vielleicht als nächstes 🙂

Wo kann man deine Bilder sehen oder kaufen?

Meine Hochzeits- und Familienfotografie findet ihr auf meiner Webseite unter https://justuskraft.de oder auch auf Facebook https://facebook.com/justuskraft.de und Instagram https://instagram.com/jukra00. Wenn ihr Bock auf Fotos oder nur einen Schnack über Analoge Fotografie habt, freue ich mich über eure Nachricht!

Justus, wir bedanken uns für das Interview und kommen zu deinen Bildern 🙂

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